Crailsheim Open Runden 2 – 7

Crailsheim Open Runden 2 – 7

Nach der ersten etwas unglücklich verlaufenen Partie hatte ich nun die dankbare Aufgabe das Feld von hinten aufzuräumen.

Der Schock kam gleich in Runde 2: Ich betrat bestens vorbereitet den Spielsaal und sah erstaunt, dass mein Gegner noch nicht am Brett war, obwohl ich selbst schon mit 15 Minuten Verspätung eintraf. Als ich mich meinem Brett näherte, fing mich ein freundlicher Turnierleiter ab, der mir mitteilte, dass mein Gegner nicht kommen würde und ob ich damit einverstanden wäre, gegen den „Freilos-Gegner“ zu spielen. Ich sagte ja und wenig später erschien ein 15-Jähriger Junge, welcher aussah wie Karpow in jungen Jahren, zu meinem Glück allerdings nicht ganz mit dessen Spielstärke gesegnet war. Überflüssig zu sagen, dass mein Gegner der einzige Spieler des A-Turniers war, der über keine ELO verfügte und ich nicht sehr glücklich über diesen Umstand war.

Schmid – Kurz, Crailsheim Open (2) 2010
1. d4 Nf6 2. c4 g6 3. Nc3 Bg7 4. e4 d6 5. f3 O-O 6. Be3 e5 7. d5 Nh5 8. g3 f5 9. Bh3 Na6 10. Qc2 Nb4 11. Qg2 Nd3+ 12. Kd1 f4 13. Bxc8 Rxc8 14. Bc1 c6 15. g4 Nf6 16. Qe2 Nc5 17. Ke1 cxd5 18. cxd5 a6 19. Kf2 b5

Weiß wanderte in der Eröffnung schon mit dem König nach d1 und befindet sich wieder auf dem Rückweg zum Königsflügel. Traurig wirken auch die unterentwickelten Weißen Figuren, während der schwarze Vorstoß am Damenflügel schon entscheidend sein sollte.

20. b4 Nb3 21. axb3 Rxc3 22. Bb2 Qb6+ 23. Kg2 Rxb3 24. Qd2 Rc8 25. Ne2 Nxg4 0-1

Die 3. Runde begann aufregend: an meinem Nebenbrett spielte ein netter kleiner Junge, welcher anscheinend schrecklich durtig sein musste, da er bereits nach wenigen Zügen seine Geldbörse ergriff und Richtung Turnierbar rannte. Seine Beute war eine 1,0 l Flasche Cola, die er, einer Trophäe gleich, heftig schwenkend in seinen Händen hielt und dabei zu seinem Brett zurück hastete. Am Brett angekommen setzte er sich und es kam wie es kommen musste. Beim Öffnen der Flasche ergoss sich deren Inhalt laustark über ihn, das Spielmaterial und vor allem die umliegenden Mitspieler!

Schachlich kam ich aus der Eröffnung mit einer klar vorteilhaften Stellung heraus, welche sich dann auch umgehend in eine Gewinnstellung umwandeln ließ.

Kurz – Arndt, Crailsheim Open (3) 2010

1. d4 Nf6 2. Nf3 e6 3. g3 d5 4. Bg2 c5 5. O-O Nc6 6. c4 Qb6 7. cxd5 exd5 8. dxc5 Bxc5 9. Nc3 Be6 10. Na4 Qa5 11. Nxc5 Qxc5 12. Bg5 Ne4 13. Be3 Qe7 14. Nd4 Nf6 15. Rc1 Nxd4 16. Bxd4

Weiß steht eigentlich optimal: Läuferpaar, der Besitz der offenen c-Linie und ein klarer Plan, welcher das Spiel gegen den Isolani beinhaltet.

O-O 17. Bc5 Qd7 18. Bxf8 Rxf8 Der Rest ist sollte Sache der Technik sein

19. Qd4 b6 20. Rfd1 Qb5 21. Rd2 Re8 22. b3 Qa5 23. a4 h6 24. Rc7 Ne4 25. Rd1 Nf6 26. Qc3 Qxc3 27. Rxc3 Re7 28. e3 Rd7 29. Rd4 Kf8 30. Bf1 Ne4 31. Rc8+ Ke7 32. b4 Rd8 33. Rxd8 Kxd8 34. a5 Kc7 35. Rd1 Nd6 36. Rc1+ Nc4 37. e4 b5 38. exd5 Bxd5 39. Bxc4 Bxc4 40. f4 Kd6 41. Kf2 f5 42. h4 h5 43. Ke3 g6 44. Rd1+ Bd5 45. Kd4 a6 46. Rc1 Bc4 47. Rc3 Bd5 48. Rc5 1-0

In Runde 4 erwartete mich ein kreativer Slowene, welcher vor allem die Eröffnung unorthodox zu spielen pflegte. An einer Stelle verrechnete ich mich allerdings und musste mit meinem Springer auf das häßliche Feld e8 zurückweichen, nach dem die weiße Stellung eindeutig vorzuziehen ist. Mein Gegner überraschte mich dann aber mit einem mysteriösen Turmzug nach c1 und gab mir statt einer Qualität gleich eine  Figur. 3/4 und damit war ich wieder zurück im Turnier!

Marinc – Kurz, Crailsheim Open (4) 2010
1. Nf3 d5 2. d3 Nf6 3. Nbd2 Bf5 4. g3 h6 5. c4 e6 6. Qb3 Qc8 7. Bg2 c6 8. O-O Be7 9. Re1 Nbd7 10. Qc3 a5 11. e4 Bb4 12. Qc2 dxe4 13. dxe4 Bh7 14. a3 Bc5 15. Qc3 O-O 16. e5

Die Stellung sah ich kommen. Hier wollte ich ursprünglich mit  16. … Sg4 17. Te2 Dc7 fortsetzen, mit der Idee auf den „Kinderzug“ h3 (greif den Springer an und folgt der Empfehlung eines früheren Jugendweltmeisters, welcher einmal in einem Interview über seine schachliche Erfolgsstrategie verriet: „First I attack everything, then I begin to think.“) Sxf2 Txf2 und dann Db6 und Weiß kann den Turm nicht mehr decken. Allerdings kann Weiß auch mit Sb3 statt h3 meinen Läufer c5 angreifen, wonach ich auf f2 nehmen muss, was aber gar nicht so in meinem Interesse war. Also zurück auf die Grundreihe mit dem Gaul!

Ne8 17. b3 Nc7 18. Ne4 Be7 19. Bb2 Rd8 20. Rad1 Ne8 21. Qe3 Qc7 22. Rc1? Bxe4 23. Qxe4 Nc5 24. Qg4 Nd3 25. Rf1?? Nxb2 0-1

Runde 5 brachte den ersten stärkeren Gegner, (Alt)Meister IM Viktor Gasthofer. Er wählte mit Schwarz einen Endspieltyp, in dem Weiß wohl nur auf zwei Ergebnisse spielt und ich kann mir seine Eröffnungswahl nicht erklären, wo er doch eigentlich die schwächeren Spieler schlagen muss/will.

Kurz – Gasthofer, Crailsheim (5) 2010


1. e4 e6 2. d4 d5 3. Nd2 dxe4 4. Nxe4 Nd7 5. Nf3 Ngf6 6. Nxf6+ Nxf6 7. c3 c5
8. Ne5 a6 9. Qa4+ Bd7 10. Nxd7 Qxd7 11. Qxd7+ Nxd7 12. dxc5 Bxc5 13. Be2

Die Variante ergibt sich mehr oder weniger forciert, doch wie soll Weiß das hier noch verlieren? In der Datenbank gewinnt Weiß diese Stellung oder spielt Remis, also warum wählt er diese Variante?

O-O-O 14. Bf4 Nf6 15. O-O Bd6 16. Bg5 h6 17. Bxf6 gxf6 18. Rad1 Rd7 1/2-1/2


Runde 6: Gegen Michael Pfleger ergibt sich die Möglichkeit mein Konto auf 4.5 auszubauen, welche ich allerdings verstreichen lasse… Zuerst komme ich mit großem Vorteil aus der Eröffnung und gewinne einen Bauern, finde dann aber nicht die beste Fortsetzung und er bekommt sein Gegenspiel. Zum Schluss bin ich zu feige mit 5 min auf der Uhr die Stellung weiter zu zocken, Schade! Die wie ich finde interessanteste Partie des Turniers.

Kurz – Pfleger, Crailsheim (6) 2010


1. d4 Nf6 2. Nf3 e6 3. g3 c5 4. Bg2 Nc6 5. O-O cxd4 6. Nxd4 Be7 7. c4 O-O 8. Nc3 Rb8 9. b3 Qa5 10. Bb2 a6 11. a3 Qb6 12. Na4 Qa7 13. b4 b5 14. Bxc6 bxa4 15. Bxa4 Bb7 16. c5 Ba8

Weiß hat einen Bauern gewonnen, dafür setzt Schwarz auf den langen La8 und den etwas abseits stehenden La4. Hier hätte Sb3 gefolgt von Sa5 das Schwarze Gegenspiel am Damenflügel unterbunden und anschließend kehrt der verlorene Läüfer von a4 nach c2 zurück, auf Mattdrohungen wie etwa Db7 kommt f3 und Weiß gewinnt irgendwie mit seinem Übergewicht am Damenflügel. Aber nein, ich strebe Verwicklungen an:

17. c6 a5 18. cxd7 Rb6 19. b5 Qxd7 20. Qc2 Be4 21. Qc1 e522. Nc6 Qh3 23. Nxe7+ Kh8 24. f3 Ng4 25. Rf2 Nxf2 26. Kxf2 Qxh2+ 27. Ke3 Qxg3 28. Qc5 Qf4+ 29. Kf2 Qh4+ 30. Ke3 Qf4+ 31. Kf2 Qh4+ 32. Ke3 Qf4+ 33. Kf2 Qh4+


Die Konsequenzen nach Kf1 waren mir am Brett mit 5 min völlig unklar und daher:

1/2-1/2

Runde 7:

Mittagessen bei Subway und dann noch schnell vorbereiten gegen dem amerikanischen IM Mladen Vucic. Leider fühlte sich dieser durch anwesende Fotografen stark gestört (“ what is this? a world championship?“) und machte auch sonst einen leicht irritierten Eindruck. Nach der Partie „gestand“ er mir nur zwei Stunden geschlafen zu haben, allerdings blieb die Frage offen was ein amerik. IM nachts in Crailsheim sonst so macht ?!

Vucic – Kurz, Crailsheim (7) 2010

1. d4 Nf6 2. Nf3 d5 3. c4 dxc4 4. e3 a6 5. a4 e6 6. Bxc4 c5 7. Nc3 Nc6 8. O-O Be7 9. Qe2 cxd4 10. Rd1 O-O 11. exd4 Nb4 12. Ne5 Bd7 13. d5 exd5 14. Nxd5 Nbxd5 15. Bxd5 Nxd5 16. Rxd5

Verliert Schwarz hier etwa den Läufer? Natürlich nicht, aber sowohl mein Gegner als auch die meisten Zuschauer gingen hier schon von einem Blitzsieg des Amerikaners aus.

Bg4 17. Qd3 Qxd5 18. Qxd5 Rad8 19. Qb3 Rd1+ 20. Qxd1 Bxd1 21. Bg5 Bxg5 22. Rxd1 Rd8 23. Rxd8+ Bxd8


Die Stellung ergibt sich forciert. Eigentlich könnte sie aus einem Musterendspielbuch stammen: Alles was man jemals zu einem Endspiel gelernt hat, findet sich in dieser Stellung und der Läufer sollte theoretisch besser sein, da er, erstens die langschrittige Figur ist, und dies besonders wichtig ist bei Bauern auf beiden Flügeln! Soviel zur Theorie, meine Endspielkenntnisse sind leider unterirdisch und daher nach weiteren Zügen: 1/2-1/2


Fazit:

Die in Crailsheim neu praktizierte Bedenkzeitregelung von 90 min + 30 sec pro Zug  ist super und macht Spaß. Die Partien verlieren zwar an Tiefe und Gehalt, aber das, was Zuschauer und Schachspielerherzen höher schlägen lässt, nämlich ein mitunter wildes Gehacke in der Zeitnotphase, nimmt zu und Schach gewinnt daher an Action und Unterhaltung!

Der 14. Platz brachten mir wahnsinnige 10 Euro Preisgeld, so dass ich mich weiterhin den juristischen Studien widmen werde, da auch nur ein leichtes ELO-Plus von 8 zu vermelden ist .

Vielen Dank an dieser Stelle an meinen Reisepartner, den sympathischen FM, fast IM, Christian Köpke aus München, der mich immer top vorbereitet hat und mein Schach wieder um einiges bereichet hat – Danke!

So nun aber zurück zu den „trockenen“ Büchern, das Konstrukt der Drittschadensliquidation beim Versendungskauf will schließlich verstanden werden…

christian.kurz

2 Kommentare

Klaus Veröffentlicht am18:54 - 27. Mai 2010

Dein Bericht ist einfach Klasse und deine Partien werden unser Schach an den nächsten Freitagen sehr bereichern. Ich hätte wohl c6 wirklich nicht gespielt, aber ich bin halt auch der „vorsichtigere“ Spieler.

Ich freue mich schon auf nächste Woche. Da helfen wir dann gegen das Austrocknen der arbeitsreichen Woche.

Thomas Veröffentlicht am11:24 - 31. Mai 2010

Danke für den interessanten Bericht! 🙂